Christian Jasper

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Aus einer anderen Welt

Die plastische Bodenarbeit „Aus einer anderen Welt“ begegnet uns als eine, in seiner Oberfläche vielgestaltige, deformierte Kugel. Die Oberflächentextur ist zerklüftet, gefaltet und schrundig. Ihre Farbigkeit ist bestimmt durch opake, gebrochene Braun-, Grau- und Grüntöne, die nur vereinzelt durch orangefarbene Lichter akzentuiert werden. Die Kleinplastik erinnert in ihrer Gesamtheit an Naturobjekte, an deren Oberfläche und Form vielerlei Umwelteinflüsse ihre sichtbaren Spuren hinterlassen haben. Bei „Aus einer anderen Welt“ könnte es sich gemäß des Titels um einen Meteoriten handeln, der von außerhalb unserer irdischen Sphäre zu uns gelangt ist. Im Sinne dieser angedeuteten Interpretation wäre es ein Fremdkörper. Aber nicht allein hypothetisch ließe sich das Objekt als Fremdkörper verstehen, auch real in einem Ausstellungskontext ist es ein solcher. Wenn gleich man als Ausstellungsbesucher davon ausgehen wird, Artefakte zu sehen, erscheint dieses kleine, zerfurchte Ding doch fremd. Es ist ein Fremdkörper. Etwas, das es so vorher an dieser Stelle nicht gab und, wie zuvor angedeutet, auch nur in seiner irritierenden Qualität zu erwarten war.
Hat das Objekt erst einmal das Interesse des Betrachters geweckt, so zieht es die Aufmerksamkeit in die Vielgestaltigkeit der zerklüfteten Oberfläche. Der Blick wandert von den Höhen zu den schrundigen Vertiefungen umher. Es ist leicht, sich als Betrachter in den vielen texturierten und farblichen Details, im Mikrokosmos der Oberfläche zu verlieren. „Aus einer anderen Welt“ könnte auch aus einem mikroskopisch vergrößerten Präparat stammen. Um es besser betrachten zu können wird es uns isoliert und überdimensioniert gezeigt. Vergleichbar mit einem Modell aus einer naturkundlichen Sammlung. Es könnte aus dem Bereich der Sporen, Bakterien oder Ähnlichem stammen.

Den beiden Sicht- und Interpretationsweisen ist gemein, das dem Objekt etwas Unbekanntes, Unberechenbares, Eigenartiges und Unergründliches anhaftet. „Aus einer anderen Welt“ entstand aus einem gedanklichen Dilemma, das wir uns nur schwerlich etwas außerhalb unserer eigenen Erfahrungshorizonte vorzustellen vermögen. Das es uns dennoch gelingt, ist ein Phänomen unserer geistigen Möglichkeiten Grenzen zu überschreiten.

Dezember 2014

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