Christian Jasper

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Kasse, Aufsicht, Shop


Freistehend im Größeren der beiden Säle der Neuen Galerie Dachau befindet sich ein Kistenensemble auf einem Podest. Am vorderen Rand des Podestes ist ein Schreibtisch, sowie eine Sitzgelegenheit platziert. In der Art der Konstruktion entspricht das Ensemble den Transport– und Lagerkisten, die ich zum Schutz meiner Arbeiten verwende. Es handelt sich um Sperrholzplatten auf einem hölzernen Rahmen, gelegentlich mit Kistengriffen und durchweg mit Beschriftungen versehen. Auf den neueren Kisten sind mittels Schablonenschrift der Titel, das Entstehungsjahr und standartisierte Hinweispiktogramme zur Handhabung appliziert. Entsprechend lesen wir auf der Schreibtischkiste in Schablonenschrift die Namen der beiden Künstler, Ausstellungstitel und Dauer der Ausstellung. Im Inneren zweier großformatiger Kisten am hinteren Rand des achteckigen Podestes verbirgt sich eine mobile Ausstellungswand, die ansonsten üblicherweise als zusätzliche Hängefläche für die Ausstellun–gen genutzt wird. „...und dazwischen klemmt ne´Kiste...“ ist der lapidare Untertitel dieses Details des funktionalen Skulpturenensembles.

Exponiert auf der hölzernen Fläche sehen wir eine Malerei von Jochen Pankrath, „Spektrum“. Darüber mittig auf den beiden Kisten befindet sich abermals eine Kleinere auf deren Front in Leuchtschrift die Buchstabenfolge ONO zu lesen ist. In der Malerei „Spektrum“ steht uns eine, nur mit einem Slip bekleidete, junge Frau auf einer Matratze– vielleicht eine Wiedergabe einer Ateliersituation des Malers– gegenüber. Den Kopf leicht in den Nacken gelegt, mit den Händen ihre Hüften berührend, schaut sie den Betrachter von oben herab herausfordernd an. Neben sich auf der sockelgleichen Matratze steht eine kleine hölzerne Kiste in Form eines stilisierten Hauses. Die Front ist eingerückt; wie wir es an anderer Stelle in der Ausstellung nochmals vorfinden werden und mit einer Darstellung einer Taube versehen. Es ist ein in humorigerweise, malerisches Spiel mit verschiedenen Bildebenen (Bild im Bild) und deren historischen Andeutungen (ikonografische Verweise). Hinter der aufreizend posierenden Frau zeigt uns Jochen Pankrath ein weiteres Bild im Bild, abermals eine Malerei als eine Darstellung eines gemalten Bildes und gleichzeitig Malerei als abstrakte Malerei. Geometrische Farbflächen, Dreiecke die einen malerischen Raum in seiner anteiligen spektralen Brechung beschreiben. Rot, Gelb, Cyan und Grün stehen hier sinnbildlich für das sichtbare Farbspektrum und vielleicht für das Metier des Malers grundsätzlich, die Farbe, das Licht. Fintenreich verführt uns Jochen Pankrath in diesen illusionistisch gemalten Raum gedanklich einzutreten, um uns im nächsten Zug mit der scheinbaren Auflösung eben dieses Farbraums unserer Täuschung bewusst werden zu lassen. Aber vielleicht ist auch dieses nur eine weitere Wendung, um einer gekonnt geschaffenen Illusion und deren Desillusionierung auf dem Leim zu gehen.

„ONO“ leuchtet als Schriftzug oberhalb von Kasse, Aufsicht, Shop. Schrift lässt uns nach möglichen Bedeutungen dieser Buchstabenfolge fragen. Eine allgemein verbindliche Lesart biete ich dem Betrachter nicht. Es handelt sich um einen Schriftzug den ich seit 2008 zuweilen in meinen Installationen variantenreich einbaue. So befindet sich ONO in meinen Ausstellungen mal als Emblem, mal in Form einer figürlichen Darstellung von Gebärdensprache, ein anderes mal als Blindenschrift oder als Merchandisingprodukt. Gemein ist deren Darstellung das Moment der Kommunikation, ein Versuch der Verständigung, das Bemühen um gemeinsam geteilten Sinn. Ein Teilaspekt seit 2008 ist es ONO als Markenzeichen in meine eigene künstlerische Praxis einzuführen und somit Wirkweisen von Marketing, Handel und den des Tausches allgemein als Bestandteil künstlerischer Strategien kenntlich zu machen. Seit geraumer Zeit bitte ich Interessierte, die sich von ONO animiert fühlen nach dessen Sinn und Bedeutung zu Fragen, Texte zu ONO zu verfassen. Es könnte ein möglicher Grundstein für eine Sammlung von gemeinsam auszuhandelnden Bedeutungen, ein gemeinschaftlich zu vereinbarender, sich wandelnder Sinn von ONO werden.

...eine Aufsicht empfängt den Ausstellungsbesucher im Kassen–Shopbereich. Als Akteuere werden sie Teil der Skulptur. ...

Februar 2020

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