Christian Jasper

Zu interpersonell (im medialen Raum)


Im Sommer 2020 erhielt ich eine Einladung, um mich an der Ausschreibung zur Jahresgabenausstellung im Kunstverein Unna zu bewerben. Als thematischer Leitspruch wurde ein Zitat aus Vergils Eklogen angeführt: „omnia vincit amor: et nos cedamus amori- alles besiegt die Liebe: lasst auch uns der Liebe nachgeben (Vergil, Ekloge 10/ 69).

Die Erfahrung Teil von etwas Größerem zu sein als das eigene Selbst, berührt einen Teilaspekt meiner künstlerischen Arbeit der letzten Jahre, für den ich hier erneut werben möchte.

Seit 2008 baue ich zuweilen die Buchstabenfolge ONO in meine Installationen in sehr unterschiedlicher Form ein. So befindet sich ONO in meinen Ausstellungen mal als Emblem, mal in Form einer figürlichen Darstellung von Gebärdensprache, ein anderes mal als Blindenschrift, als Möbel (Regale) oder als vermeintliche Merchandisingprodukte (T-Shirts, Postkarten und Fotoabzüge). Gemein ist diesen Darstellungen das Moment der Kommunikation, ein Versuch der Verständigung, das Bemühen um gemeinsam geteilten Sinn. Ein Teilaspekt seit 2008 ist es ONO u.a. als Markenzeichen in meine eigene künstlerische Praxis einzuführen und somit Wirkweisen von Marketing, Handel und den des Tausches allgemein als Bestandteil künstlerischer Strategien kenntlich zu machen. Seit geraumer Zeit bitte ich Interessierte, die sich von ONO animiert fühlen nach dessen Sinn und Bedeutung zu Fragen, Texte zu ONO zu verfassen. Es könnte ein möglicher Grundstein für eine Sammlung von gemeinsam auszuhandelnden Bedeutungen, ein gemeinschaftlich zu vereinbarender, sich wandelnder Sinn von ONO werden.

Im Ausstellungsraum des Kunstvereins Unna werden drei Zeichnungen eines QR Codes ausgestellt. Mittels einer Applikation (Computerprogramm) und entsprechender Hardware (Kamera eines Tablets/ Smartphones) können sie gescannt werden und führen anhand eines hinterlegten Links zu dieser Unterseite meiner Homepage. Jetzt, wenn sie den Text lesen, haben sie eventuell eine der Zeichnungen gescannt und gelangten mittels Datenübertragung zu dieser Information im Internet. Das grafische Gebilde des QR Codes (Bild/ Zeichen) trägt die Möglichkeit und ein Versprechen in sich, zu weiteren Informationen zu gelangen. Was sie zu sehen, zu hören oder zu lesen bekommen würden, konnten sie beim Scannen (technisch-optisches Erfassen von Information, als „Erweiterung“ unserer Fähigkeit des Sehens im Sinne einer neurophysiologischen Verarbeitung von Reizen und evozierten Gefühlen) noch nicht wissen. Ihr Interesse, vielleicht auch ihre Neugierde, hat sie hierher geführt. Eventuell befinden sie sich physisch nach wie vor in den Räumen des Kunstvereins- dies ist zumindest temporär, für die Dauer der Ausstellung möglich und denkbar. Gespeichert lässt sich diese Information „endlos“ oft abrufen oder mittels „sozialer“ Medien mit anderen teilen. Es ist nicht mehr allein an den „realen“ Raum- den Ausstellungsraum des Kunstvereins Unna gebunden. Es ist nun ein Aspekt einer gemeinsam geteilten und zu verhandelnden Wirklichkeit. Vergleiche den Text zu Intervention Nr.4 (Die Liebe siegt).

München, den 04.08.2020

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