Christian Jasper

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Freifläche (zu mieten)

 

Die Wandarbeit „Freifläche (zu mieten)“ befindet sich an einer der Längsseiten des Hauptausstellungsraums des Kunstverein Unna. Die Wand, auf der die Arbeit angebracht ist, gehört zu einer eingebauten Abtrennung. Dahinter, in einem separaten Raum, befindet sich der Zugang zum Keller und zu Lagerflächen. Der so geschaffene Nutz- bzw. Wirtschaftsraum dient dem öffentlichen Ausstellungsbetrieb. Dieser dienende Wirtschaftsraum bleibt den Ausstellungsbesuchern unzugänglich und spielt in der Kunstbetrachtung selten eine Rolle. Ich erwähne es hier ergänzend zu der gegenüberliegenden Arbeit „Im Raum Nr.1 (Figur und Betrachter)“. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei „Im Raum Nr.1“, unter anderem um eine parallel in den Raum eingerückte Stellwand. Der Abstand zur vorhandenen Mauer schafft einen Zwischenraum. Dieser Zwischenraum wird als Lager der  für den Ausstellungsaufbau verwendeten Utensilien genutzt und bleibt von einer Seite für den Betrachter einsehbar. Soweit sei an dieser Stelle der thematische Bezug skizziert.
„Freifläche (zu mieten)“ ist eine schiefergrau gestrichene Wand mit einer weißen Umrandung und einem annähernd mittig platzierten Schriftzug. Die handwerkliche Ausführung lässt keinen Bezug zu einer „malerischen“ Ambition mit einer eigenen „Handschrift“ erkennen. Es ist eine farbliche Markierung der Wandfläche. Die Fläche wird in der Größe durch Wand-Wand-, Boden-Wand- und Wand-Deckenkanten definiert. Durch den farblichen Anstrich ist die Fläche von den angrenzenden Bereichen unterschieden. Zur Schaffung einer Binnenfläche wird eine weiße Umrandung „malerisch“ um die Fläche gezogen. Pinselspuren, Farbverläufe und Farbnasen sind sichtbar in ihrer nicht perfekten und dennoch gekonnten Ausführung im Kontrast zur Innenfläche belassen worden. Der Schriftzug - Freifläche (zu mieten) - auf der Fläche suggeriert dem Betrachter die Möglichkeit, diesen Ausstellungsbereich für eigene Konzepte nutzen zu können. Wie ein Betrachter auf das Angebot reagiert und ob es zu einer „Interaktion“ kommt, lässt sich nicht vorhersagen.
Das Angebot die Fläche zu mieten, hebt den Aspekt des Handels hervor. Eine kommerzielle Absicht spielt allerdings in einem Kunstverein eine untergeordnete Rolle, sieht man einmal von einer Jahresgabenausstellung oder einer Künstleredition ab. Hinzu kommt, dass kein Gewinn erwirtschaftet werden darf. Die Jahresbilanz eines Kunstvereins muss ausgeglichen sein. Die reale Situation eines Kunstvereins mit geringer Mitgliederzahl ist sicherlich schwierig. Glücklich kann sich ein Vorstand bereits schätzen, wenn die Ausstellungsräume zu vergünstigten Konditionen gemietet werden können. Ein oder gar mehrere Hauptsponsoren, sowie städtische Fördergelder sichern oft genug die finanzielle Grunddeckung des Ausstellungsprogramms und somit auch die Möglichkeiten und Grenzen der Programmgestaltung. Von den Mitgliederbeiträgen oder gar Verkaufsprovisionen wird sich ein kleinerer Kunstverein nicht finanzieren können. Das der Vorstand und die Mitarbeiter zumeist ehrenamtlich tätig sind, gebührt einer ausdrücklichen Anerkennung. Eine weitere Einnahmequelle für einen Kunstverein ist die Vermietung der Räumlichkeiten. Zu Zeiten einer Umbauphase und einer laufenden Ausstellung gibt es dann die möglichen Konfliktpotentiale „gratis“ dazu. Die Deckung der Grundsicherung, das Ermöglichen von Handlungsspielräumen in der Gestaltung des Ausstellungsprogramms erfordert Offenheit bei der Schaffung von Einnahmequellen. Auch der Kunstverein Unna arbeitet mit einem überschaubaren Budget. Eine kostendeckende Finanzierung von Ausstellungen eingeladener Künstler seitens des Kunstvereins Unna ist nicht möglich. Die Mittel reichen, um die Rahmenbedingungen für ein Ausstellungsprogramm zu gewähren. Beide Seiten, der Kunstverein als Veranstalter und der Künstler tragen die Kosten je für ihren Teil. Ohne Idealismus der Beteiligten wäre dies nicht möglich. Kulturschaffende handeln aus Überzeugung, bei allen Zweifeln und Nöten des Alltags. Gerade ein Alltagsaspekt schleicht sich in „Freifläche (zu mieten)“ ein. Die farbige Leerstelle mit Schriftzug ist durch das Handelsangebot an eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur finanziellen Sicherung der kulturellen Arbeit eines Kunstvereins, respektive die eines Künstlers rückgebunden.

Die Arbeit „Freifläche (zu mieten)“ kann und darf als eine kritische, auch selbstkritische Sicht auf eine Ausstellungspraxis verstanden werden, die unter wirtschaftlich schwierigen Vorzeichen versucht, ein Optimum an Möglichkeiten zu realisieren. Die Grenze zur Selbst- und Fremdausbeutung ist hierbei fließend.

 

September 2016

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