Christian Jasper

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Exklusiv (Grundsicherung / Stärke)

Gedanken zu einer Arbeit im ehemaligen Mühlenturm des Kunstvereins Unna

Betritt man den Kunstverein Unna, so bestimmen die unregelmäßigen Wände des ehemaligen Mühlenturms den Eingangsbereich. Bereits von außen fallen die massiven Wände des rundlichen Turms auf. Kegelförmig befindet sich der historische Baukörper an der nördlichen Stirnseite des Hauptgebäudes. Von dem, im Hochparterre gelegenen, rechteckigen Hauptraum gelangt der Besucher rechter Hand in den Mühlenturm. Der Zugang zum Mühlenturm ist während der Ausstellungszeit durch eine Ziegelwand verschlossen. Die unverputzten Ziegel lassen den verschlossenen Durchgang weiterhin erkennbar. Der verschlossene Raum bleibt somit präsent. In diesem öffentlich nicht zugänglichen Teil der Ausstellung befinden sich zwei kleine Objekte auf einem Sockel. Ein Text zu den Objekten und dem Raum wird in unmittelbarer Nähe zur Ziegelwand veröffentlicht. Der Text: „dehnübung ohne festes thema“, von Jan Skudlarek entstand im Sinne einer künstlerischen Kooperation zwischen bildenden Künstler und Literaten. Der räumliche Eingriff dieser mehrteiligen Arbeit trägt den Titel „Exklusiv“, während die im Raum befindlichen Objekte mit einem Untertitel „Grundsicherung (Stärke)“, genauer bezeichnet sind.

Ein Versuch einer Annäherung:
In der Mitte des Mühlenturms des Kunstvereins Unna befindet sich ein Ausstellungssockel. Ich bediene mich hierfür einer gängigen Ausstellungskonvention, Figur und Sockel. Auf dem Sockel liegen zwei rundlich-ovale, unregelmäßig geformte, braune Objekte. Jedes der Objekte misst ca. 7x 5x 4 cm. Die Objekte ließen sich gut mit einer Hand umfassen - es ist eine gute Handvoll. Die beiden Objekte sind Abgüsse von Kartoffeln. Ein ausliegender Begleitzettel informiert über Titel, Größe und Material-angaben. Die Kartoffel, Stärkespeicher und Grundnahrungsmittel, ist aus unseren Küchen nicht fort zu denken. Seit der Einführung und dem systematischen Anbau in Europa half die Kartoffel Hungersnot zu lindern. Für die meisten in unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft scheint diese Erfahrung weit entfernt. In den öffentlichen Fokus rückt Not und Elend durch eine wachsende Zahl an Flüchtlingen, die Schutz und menschenwürdige Lebensbedingungen in Europa suchen. Armut ist aber auch Teil unserer Gesellschaft. Das tägliche Leben derer, die in prekären Verhältnissen leben, ist unmittelbar von Armut und der Sicherung einer minimalen Existenzgrundlage geprägt: Wohnung, Nahrung, Kleidung, ärztliche Grundversorgung, Bildung und eine bedingte Teilhabe am gesellschaftlich kulturellen Leben. Sichtbar wird die Armut durch Menschen am Rande der Gesellschaft, den „Ausgeschlossenen“, so auch arbeitssuchenden Tagelöhnern, die in speziellen, punktuellen, städtischen Zonen früh morgens ihre Arbeitskraft feilbieten. Auch „vertraut“ sind, in unseren Stadtbildern die sich „unsichtbar“ machenden Flaschensammler und die sichtbaren Treffpunkte von Odachlosen und sozial „Gestrandeten“.

„Grundsicherung (Stärke)“ erscheint fast lapidar in seiner formalen Schlichtheit: Raum - Objekt und Sockel. Die Objekte im Mühlenturm beziehen sich thematisch auf dessen ehemalige, ursprüngliche Funktion, dem Ort der Mehlherstellung. Durch die eingezogene Ziegelwand ist der Zugang zum Raum versperrt. Der Text:„dehnübung ohne festes thema“ von Jan Skudlarek, ist in sichtbarer Nähe veröffentlicht. Die Objekte sind für den Ausstellungsbesucher nicht zugänglich. Sie befinden sich in einem exklusiven Raum.

 

August 2016

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